Schwanenteich

Schรผlerblog des Gymnasiums ,,Am Breiten Teich" Borna

Handyverbot: Wer, Wie, Wann und Warum?

Frau Kegel stand uns in einem Interview Rede und Antwort zur Frage, wie die neue Handyregelung entstanden ist.


Sie waren sicherlich nicht die einzige, die die Idee hatte, ein Handyverbot an unserer Schule einzufรผhren. Wer war denn noch an der Idee und der spรคteren Umsetzung beteiligt?

โ€œFrau Wiedenbach und ich wurden zwar in den Schรผlerrat eingeladen, aber es war tatsรคchlich so, dass es eine groรŸe Zahl von Lehrerinnen und Lehrern gewesen ist, die gesagt haben, dass etwas geรคndert werden muss. Tatsรคchlich waren das vor allem die Lehrer, die neu an die Schule gekommen sind. Ich wรผrde es auch nicht am Alter festmachen, man kann also nicht sagen, dass es nur die jungen Lehrer waren, die von anderen Schulen gekommen sind und dort schon gesehen haben, wie die Nutzung von Handys beziehungsweise mobilen Endgerรคten umgesetzt wird. Man kann es auch nicht an Namen festmachen, es war durchaus eine groรŸe Anzahl von Lehrern.โ€


Also war das sozusagen ein ausschlaggebendes Moment, in dem sich viele der Lehrer, die eine andere Umsetzung schon kennen gelernt hatten, eine Regulierung der Handynutzung zu fordern?

โ€œIch mรถchte nicht von Kulturschock reden, aber ich glaube man hat schon wahrgenommen, wenn man hier an das Gymnasium Am Breiten Teich kommt, dass ganz viele Schรผlerinnen und Schรผler auf der Treppe mit dem Handy herumlaufen, telefonieren, schreiben, tippen, spielen und das ist schon ein Ding, das man so von anderen Schulen gar nicht kannte. Dann haben wir bei einem Blick in die Hausordnung festgestellt, dass es nicht einen Satz dazu gibt, wie an unserer Schule mit Handys umgegangen wird, dass es also keine Einschrรคnkungen gibt. Daraus ist quasi das Ziel erwachsen, dass man etwas รคndern muss und das ein bisschen reglementieren sollte. Und warum? Die Ansรคtze sind ganz vielfรคltig.โ€


Wie war der Prozess, dass aus der Idee einer Reglementierung eine in der Hausordnung aufgefรผhrte Regelung wurde?

โ€œIch glaube, es ist auch wichtig, dass man das den Schรผlern noch einmal sagt. Es ist schon so, dass manche auf diesem durchaus demokratischen Prozess nicht gut mitgenommen worden sind oder es nicht wahrgenommen haben, dass es einen demokratischen Prozess gab.

Wir haben uns [am pรคdagogoischen Tag 2021] alle Facetten der Hausordnung noch einmal angeguckt und haben uns gefragt, wo man noch nachjustieren mรผsste. Dann haben wir diesen Passus aufgemacht: die Nutzung mobiler Endgerรคte steht gar nicht drin, wir mรผssen jetzt hier etwas formulieren. Also haben wir Lehrer sehr lange gerungen, erstmal eine Formulierung zu finden, die fรผr uns alle konsensfรคhig ist, die man in der Lehrerkonferenz zur Abstimmung bringen kรถnnte [โ€ฆ]. Frau Wiedenbach und ich wurden dann von Emil und von Herrn Garnatz in den Schรผlerrat eingeladen. Dort haben wir unsere Idee, unsere vorlรคufige Formulierung vorgestellt und haben mit den Schรผlern diskutiert […]. Unsere ursprรผngliche Idee war, dass man es komplett einschrรคnkt, auch fรผr die Oberstufe. Da kam dann eine Diskussion zu Stande, dass die Oberstufenschรผler sich schon gewรผnscht haben, das ein bisschen zu differenzieren [โ€ฆ]. Hier kam dann die Idee dazu: โ€œOkay, fรผr die Oberstufe am Teich kรถnnte man das ja erlaubenโ€ [โ€ฆ].

In unserer ursprรผnglichen Fassung war auch enthalten, das haben wir auch lange diskutiert, ab wann wir das Schreiben mit Tablet oder Computer zulassen, da gab es auch in der Lehrerschaft groรŸe Diskussionen[โ€ฆ]. Da war dann auch der Wunsch im Schรผlerrat, das Alter herunterzusetzen. Ursprรผnglich hatten wir gesagt, dass [das] nur in der Oberstufe [โ€ฆ] umgesetzt werden soll. […] Wir haben an der Stelle auf ganz demokratischen Weg nachjustiert und haben gesagt, dass wir uns das, was die Schรผler sagen, anhรถren.

Es gab ein paar wenige im Schรผlerrat, die schon ein paar Kontra-Argumente hatten. Da haben wir dann darum gebeten, dass mal die Argumente der Schรผler verschriftlicht werden. Also โ€œWarum haltet ihr es fรผr notwendig, dass man in der Schule, im Schulalltag sein Smartphone benutzt?โ€. So eine Liste haben wir tatsรคchlich nie bekommen. Ich weiรŸ nicht, ob es daran lag, dass es keine Argumente gab, oder dass es einfach verschรผtt gegangen ist, aber das wรคre nochmal die Mรถglichkeit gewesen, vielleicht von Schรผlerseite nachzujustieren. [โ€ฆ] [D]er Schรผlerrat hat dann irgendwann unseren nochmals รผberarbeiteten Vorschlag abgesegnet.

,,Aber es hรคtte, und das ist mir wirklich wichtig zu sagen, an jeder Stelle in diesem Prozess, rein theoretisch, so wie alles angedacht war, die Mรถglichkeit gegeben, da mitzubestimmen und mal zu intervenieren.“

Frau Kegel

Die dritte Sรคule neben der Diskussion in der Lehrerschaft und mit den Schรผlern ist dann natรผrlich die Diskussion mit den Eltern gewesen. [โ€ฆ] Die Eltern, muss ich dazu sagen, hatten wir zu groรŸen Teilen natรผrlich gleich auf unserer Seite. [โ€ฆ] [I]ch hatte den Eindruck, dass die auch ganz froh waren, dass man die Handynutzung limitiert, weil auch der Nutzen vom Handy in der Schule nicht sofort einleuchtend ist. Natรผrlich da, wo es als Lernmittel genutzt wird, schon, aber zum Spielen oder Schreiben oder Mitschรผler fotografieren und dann ins Netz stellen ist es einfach unnรถtig. Das heiรŸt: die dritte Sรคule Elternrat ging auch durch und dann als viertes die Schulkonferenz. Wenn man jetzt so etwas beschlieรŸt: wir รคndern die Hausordnung, muss es ja durch alle demokratischen Instanzen, die so eine Schule hat und das hรถchste ist da eben diese Schulkonferenz und die hat es beschlossen.

Ich glaube [โ€ฆ], dass es nicht bei allen Schรผlern so ankam [โ€ฆ]. Ich denke Kommunikation ist da das Zauberwort. Dafรผr sind aber vor allem erstmal die Klassensprecher verpflichtet, dass sie wenn sie aus dem Schรผlerrat kommen, in ihre Klassen gehen und sagen, was genau besprochen wurde und zu fragen, ob es in der Klasse Mitbestimmungsbedarf oder in diesem Fall Kontraargumente gibt. [โ€ฆ] Aber es hรคtte, und das ist mir wirklich wichtig zu sagen, an jeder Stelle in diesem Prozess, rein theoretisch, so wie alles angedacht war, die Mรถglichkeit gegeben, da mitzubestimmen und mal zu intervenieren. Obschon natรผrlich unser Ziel gewesen ist, aber das war eine Maximalforderung, das Handy zu verbieten.

Wir nehmen im Alltag schon nicht wahr, dass das Handy kein Hilfsmittel ist, sondern auch schon รถfters an die Lehrer herangetragen wird, dass in der Sportumkleide Fotos von Schรผlern gemacht wurden und diese dann per WhatsApp verschickt und dann sagt der eine โ€œIch habยดs aber gelรถschtโ€ und ist sich dieser Tragweite gar nicht bewusst. [โ€ฆ] Auch, dass uns der Wunsch, ich formuliere es mal positiv, am Herzen liegt, dass man hier kommuniziert und im Miteinander lebt. Ich weiรŸ nicht, ob es dienlich ist, wenn man dann mit dem Smartphone in der Pause seine Zeit verbringt, anstatt ein echtes Miteinander zu leben [โ€ฆ]. Das sind Werte, die wichtig sind. […] Wir wollen auch zeigen, [โ€ฆ] dass es auch anders geht. Man kann auch wirklich miteinander was machen. Da ist im Kontext Schule meiner Meinung nach das Smartphone nicht immer fรถrderlich.โ€


Wรคre es dann nicht eher sinnvoll, aufzuklรคren, damit die Schรผler das selbst erkennen? Verstรคrkt ein Verbot nicht eher das Verlangen, das Smartphone zu benutzen, eben weil es verboten ist?

โ€œMan muss dazu sagen, dass es wahrscheinlich nur bei den groรŸen Klassen so ein ganz harter Aufprall auf dem Boden der Tatsachen gewesen ist. Denn wenn die Schรผler in die fรผnfte Klasse kommen, ist uns Klassenlehrern schon erstmal daran gelegen, dass sie das Handy nicht benutzen dรผrfen. Wir haben das jetzt auch hochgezogen. Meine Klasse ist jetzt in der siebten Klasse und fรผr die war das eigentlich selbstverstรคndlich, dass sie es nicht benutzen dรผrfen. Dann gab es eine Grauzone von ungefรคhr Klasse 8 bis 10, wo das so ein bisschen locker gelassen worden ist und ich glaube, die trifft es eben besonders hart. Rein theoretisch dรผrfen sie es jetzt tatsรคchlich gar nicht mehr benutzen. 10, 11, 12: wenn ihr mal drauรŸen seid, dรผrft ihr draufgucken. Und Aufklรคrung: auch da war zum Beispiel letztes Jahr in meiner Klasse eine Kriminalkommissarin da gewesen, die auch erzรคhlt hat, was das rechtlich fรผr Konsequenzen hat [โ€ฆ]. Ich glaube trotzdem, dass das nicht so richtig fruchtet. Sicherlich braucht man einen Mittelweg und ich denke, dass es viele Lehrerinnen und Lehrer gegeben hat, die das mit ihren Klassen gut kommuniziert haben, warum wir das machen. [โ€ฆ] Es soll ja gar keine Strafe sein, sondern es soll eigentlich eine Chance sein. Eine Chance auf ein echtes Miteinander an unserer Schule, auch wenn das vielleicht ein groรŸes Ziel ist.โ€

Funktioniert Freundschaft รผber das Telefon?
Bildquelle: WikiCommons

Was ist mit Schรผlern, die an dieser Schule nicht wirklich Freunde finden und die dann an anderen Schulen oder sogar in anderen Lรคndern Freunde haben, mit denen sie kommunizieren wollen anstatt in der Pause allein dazustehen?

โ€œDa wรคr ich tatsรคchlich ganz vorsichtig: welche Freunde sind tatsรคchliche Freunde? Ich weiรŸ schon, du gehst jetzt davon aus: die haben irgendwo Freunde, echte Freundschaften und die kommunizieren in der Pause mit denen. Aber manche definieren sich ja รผber irgendwelche angeblichen Freundschaften, also definieren sich vielleicht รผber ihre 500 Follower auf Instagram oder irgendwas. Ob das echte Freundschaften ausmacht, das weiรŸ ich nicht, das ist vielleicht jetzt auch ein anderes Thema. Ich wage das manchmal zu bezweifeln. Ich mรถchte trotzdem die Chance nutzen, dass man hier, wo man den GroรŸteil seines Alltags und seines Tages verbringt, dass man hier Leute hat, mit denen man sich unterhรคlt und Anknรผpfungspunkte hat. Die Schule ist so ein groรŸer Teil eures Lebens, dass ich das schade finde, wenn man allein auf dem Schulhof sitzt und sagt โ€œmir ist langweilig ohne Handy und ich kann grad meiner Freundin in Berlin nicht schreiben.โ€ Das war auch etwas, was die Eltern gesagt haben. Da kann sich ja jeder Schรผler mal selbst reflektieren. Viele gehen ja nach Hause und dann beginnt erst die eigentliche Bildschirmzeit, dann fangen sie an zu spielen, zu schreiben, in sozialen Netzwerken unterwegs zu sein. Ich finde schon, dass es wichtig ist, einen Raum zu schaffen, wo das vielleicht mal nicht ist. Das heiรŸt gar nicht, dass man Schule da als einen total nebulรถsen, antiquierten, konservativen Raum schafft, sondern das einfach geschรผtzt und angeleitet macht. Es ist ja legitim zu sagen โ€œihr nehmt jetzt euer Smartphone raus und wir arbeiten jetzt damitโ€, sei es als รœbersetzer, als Recherchemittel oder so eine Kartenabfrage, wie wir es letztens gemacht haben. Das ist ja durchaus mรถglich. Ich sehe aber tatsรคchlich, und da bin ich vielleicht ein Hardliner, als Lehrer nicht die Notwendigkeit, dass man im Unterricht sitzt und auf Facebook oder Instagram unterwegs ist, weil das, glaub ich, auch zu Hause schon einen groรŸen Teil der Freizeit ausmacht. Da kann ja jeder seine eigene Bildschirmzeit รผberprรผfen. Ich glaube, das ist bei manchen zweistellig und das finde ich nahezu traurig. Mir ist auch nochmal wichtig in dem Zusammenhang zu sagen: Ich glaube Emil hat ganz viel Gegenwind bekommen als Schรผlersprecher. Der war nicht glรผcklich mit seiner Rolle, die er da hatte, er tat mir dann auch ein bisschen leid. Das ist wirklich nochmal wichtig: das ist nicht Emils Idee gewesen, es ist aber auch nicht die Idee von ein oder zwei verrรผckten Lehrern gewesen, die gesagt haben โ€œHey, das mรผssen wir jetzt machen!โ€. Die Lehrer, die woanders gesehen haben, dass es dort ein Handykonzept gibt, haben durchaus auch Erfolgskonzepte mitgebracht. Ich bin mir auch sicher, wenn wir das hier ein paar Jahre machen, es etablieren, wird es irgendwann gar keine Frage mehr sein. Mir fรคllt es jetzt schon positiv auf, wenn ich in Klassen komme, dass die eben nicht mehr in der Gruppe um ein Handy sitzen und am Handy Schach spielen oder sowas. Ich merke da schon eine Verรคnderung und ich glaube, wenn man dem ganzen noch ein bisschen Zeit gibt, dass es durchaus eine echte Chance ist. Das ist bestimmt nur ein Baustein, aber ich glaube, dass das durchaus erfolgreich sein kann.โ€


Es ist fรผr die Schรผler jetzt sozusagen nur โ€œder erste Schockโ€?

โ€œIch denke schon. Es gibt ja Schรผler, die sich dann aufregen: โ€Hey ich hab das nicht mit abgestimmt, das wurde uns รผbergestรผlpt!โ€. Ich will das wirklich nochmal transparent machen: so war es nicht. Es war ein langer Prozess, also wie gesagt, wir haben 2021 fรผr uns eine Fassung zuwege gebracht, als Lehrerschaft, wo wir sagen, dass die konsensfรคhig ist. Das hat noch ein Dreivierteljahr gebraucht, bis das dann beschlossen worden ist, weil es eben durch alle Gremien durch musste. Es hรคtte รผberall die Mรถglichkeit gegeben, zu sagen, dass man es ablehnt. Das kann auch ein Schรผlerrat sagen. In der Schulkonferenz gibt es ja mehrere Gremien, die stimmberechtigt sind.

Das Interview wurde am 05.12.2022 gefรผhrt.


Was haltet ihr von der neuen Handyregelung? Stimmt hier ab: