Nach einer Reihe politischer Fehler und als Folge falscher Kommunikation wird am 09. November 1989 die sofortige Öffnung aller Grenzübergänge von der Deutschen Demokratischen Republik in die Bundesrepublik Deutschland bekannt gegeben.
Damit wurde das Ende einer Zeit eingeleitet, welche von Unterdrückung und Unsicherheit geprägt war. Circa ein Jahr später, am 03. Oktober 1990, sind die beiden Länder offiziell wiedervereinigt.
Trotz der in der Gesellschaft weit verbreiteten Unzufriedenheit mit dem früheren System der DDR wird auch das neue System für viele nicht die erhofften Vorteile bringen.
Für die Menschen im Osten geht vieles verloren – vor allem fehlt ein Land, welches den schönen Titel Heimat trug. Die neuen Bürgerinnen und Bürger sind fremd in dem neuen Land.
Was ist Heimat?
Für mich ist Heimat ein Raum, der mir aber nicht viel bedeutet. Das, was andere als Heimat bezeichnen, ist für mich wohl eher Zuhause. Orte an denen ich mich wohl und geborgen fühle. Davon gibt es viele und es gibt sie überall.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn diese Orte die ich als Heimat bezeichnen kann, ihren Staat wechseln. Eigentlich glaube ich, dass das an meinem Leben nichts ändert, doch weiß ich das nicht genau.
„‚DDR: Heute noch ein Thema?‘ lautet eine Frage an die Besucherinnen und Besucher im Zeit geschichtlichen Forum Leipzig. Die Frage animiert, darunter finden sich Zettel mit vielfältigen Ansichten. Eine vom Mai 2024, die ins Auge fällt, lautet: ‚Es war trotzdem unsere Heimat.‘“ ¹
Es war Heimat, ist es das also nicht mehr? Das Gebiet der ehemaligen DDR? Die Frage ist nicht wirklich einfach. Ja und nein.
Auf der einen Seite ist das Gebiet trotzdem noch das Heimische, man kennt die Orte an denen man sich bewegt und ist dort groß geworden, doch die Umstände haben sich geändert, kleine Dinge, die einen an dieses Großwerden erinnern. Kleine Rituale, bei denen man froh ist, dass man sie los ist und die man trotzdem vermisst. Kleine Marken aus Fabriken, die es nicht mehr gibt. VEB Feinkost und Trabanten.
Anerkennung im neuen Deutschland
Die „Neulinge“ in der BRD treffen auf einen Staat, in welchem sie in sozialer Ungleichheit leben. Nach der Wende gingen viele Betriebe verloren oder wurden privatisiert, dadurch verloren viele Menschen ihre Arbeit. 1992 war die Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern mit 16 % doppelt so hoch wie im Westen. Erst ab 2006 wird diese Quote niedriger.²
Auch die Arbeitstätigen im Osten haben es schwer, das Durchschnittsgehalt hier beträgt bis heute deutlich weniger als in Westdeutschland. Die Differenz zwischen den beiden Landesteilen lag zwischenzeitlich bei 785 €.³
Mit den ganzen Zahlen hört sich das alles nicht so schlimm an, wie die Situation eigentlich ist. Ostdeutsche werden von Beginn eines geeinten Landes an benachteiligt und das hinterlässt Spuren in den Menschen und verschärft eine drastisch fortschreitende Spaltung zwischen unseren zwei Landesteilen, welche aktuell so stark spürbar ist, wie nie seit der Wiedervereinigung.
Die Mauer ist gefallen und trotzdem irgendwie noch da.
Unsichtbare Mauern
In der DDR gab es keine Ostdeutschen, es gab Deutsche. Begriffe wie Ostdeutsche und Ossi’s sind ein Produkt fehlgeschlagener Eingliederung von 16,4 Millionen Menschen und fehlender Aufarbeitung.
Diese Fehler sind Grund für ein fortschreitendes Erstarken rechtsextremer und nationalkonservativer Gruppierungen – vor allem im Osten.
Schaut man sich eine Karte der letzten Bundestagswahl an, fallen einem fünf Bundesländer ins Auge. Sie verbindet eine Farbe; blau. Von den 49 Wahlkreisen der neuen Bundesländer haben 46 die Alternative für Deutschland gewählt. Eine rechtsextreme Partei.
Nach einer Studie der Universität Leipzig wünschen sich viele Ostdeutsche eine starke Partei, welche die gesamte Volksgemeinschaft vertritt⁴, hierbei sehe ich Parallelen zur SED, die einzige Partei in der DDR und die Gesamt-Volks-Vertretung.
Parteien in der DDR
In der DDR waren auch andere Parteien neben der SED erlaubt, faktisch war die SED also nicht die einzige Partei, jedoch hatte sie die alleinige Macht und Entscheidungsfreiheit über das Land. Die anderen Parteien hatten also keinen wirklichen Einfluss auf das politische Geschehen der DDR.
Ferne Heimat / Fremdes Land
Über fünfunddreißig Jahre vergingen seit dem Mauerfall, welcher den Grundstein für unser heutiges Deutschland liefert und auch wenn das einen großen Vorteil für das Leben vieler gebracht hat, führten viele politische Fehler dazu, dass die Heimat von über sechzehn Millionen Menschen nicht erhalten blieb, sondern zerstört wurde.
Das Einleben in die Bundesrepublik stellte die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR vor Herausforderungen und vor meterhohe Mauern im alltäglichen Leben.
Und auch langfristig können wir Auswirkungen dieser verfehlten Vereinigung sehen. Immer mehr Ostdeutsche sehen keinen anderen Weg, als das Unterstützen nationalistischer und rechtextremistischer Gruppierungen.
Ich möchte weder die DDR beschönigen, noch die Bundesrepublik in den Dreck ziehen, doch haben die Bundesregierungen es nicht geschafft, ein geeintes Deutschland zu erschaffen, welches frei von Vorurteilen und Spaltung existiert. Auch ist es nicht mein Ziel, hiermit rechtsextreme Parteien in ihren Forderungen zu legitimieren, doch ein Verständnis dafür zu schaffen, warum sich Deutsche in ihrem Land fremd fühlen.
Dieser Text entstand für den Ethikunterricht zum Thema „Heimat und Fremde“
Q:
Bild: Privat
¹ Fokus Ostdeutschland, Text: „Trotzdem Heimat“ von Uta Bretschneider, ab S. 23 | bpb.de
³ Der Niedriglohnsektor in Ost- und Westdeutschland | Lange Wege der Deutschen Einheit | bpb.de
⁴ Studie der Uni Leipzig: Darum ist die AfD in Ostdeutschland so stark | Vorwärts