Nicht selten hört man im Schulhaus Variationen von unverständlichen Lauten, die man im Entferntesten als Beleidigungen identifizieren könnte. Egal ob “Talahon”, “Emo” oder alte Klassiker wie “Schwuchtel”, man schafft nicht einen Tag ohne solche Beschimpfungen zu hören oder sie natürlich selbst aus der Kehle zu schreien.
Vielleicht brauchst du eine Auszeit, uns schimpft man schließlich “Gymnasialschüler”. Da bietet sich doch ein Theaterbesuch an, um das eingerostete, höhlenmenschengleiche Vokabular etwas aufzupeppen und endlich auf das von dir erwartete, spießige und hochnäsige Niveau zu kommen, bei dem du weißt was zur Hölle eine “Antonomasie” oder eine “Etymologische Figur” sein soll.
Wenn du dann endlich im Theatersaal sitzt und du nach etwas komischen Rumgelaber nur noch “o Ihr Syphilitiker, o ihr Herzkranken, o ihr Lebengeschwellten, oh ihr Wassersüchtigen, o ihr Schlagfußanfälligen, o ihr Todesursachenträger” etc. etc. etc. hörst, wünschst du dir wahrscheinlich doch deinen bekannten Wortschatz zurück.
Doch du sitzt tatsächlich in einem bekannten und erfolgreich Theaterklassiker, auch wenn er vielleicht nicht neben einem “Kabale und Liebe” gespielt wird.
Denn in ”Publikumsbeschimpfung” von 1968 lässt Peter Handke seine innere Frustration nicht an seinen Mitschülern, sondern an seinen Theatergängern raus. Diese hohe Kunst hat doch tatsächlich einen Sinn: Sie spricht die Menschen als das an, was sie sind. Und das ist allerhand. Zwischen den damaligen “Nazischweinen” und “KZ-Banditen” saßen auch Menschen wie du und ich. Diese “Mitläufer” und “Stichwortbringer” sitzen heute noch immer da.
Autor: Benjamin Helbig, 12. Klasse
Beitragsbild: pixabay (reidy68)