Ein satirischer Reisebericht.
Wir hatten diesem Tag bereits alle sehnsüchtig entgegengefiebert, an dem wir mehr von unseren Idolen Schiller und Goethe erfahren würden. Am Morgen des 01.03.2023 war es endlich soweit und dieser Wunsch sollte erfüllt werden.
Und so fuhren die Deutschkurse von Frau Pinta, Herr Garnatz und Herr Fromm gemeinsam nach Weimar. Doch kaum angekommen, wurden unsere rosigen Knabenmorgenblütenträume sofort zerstört. Weimar begegnete uns mit einer eiskalten Realität, die es uns erschwerte, uns einen sonnigen Osterspaziergang mit Goethe vorzustellen. Es war so eisig, dass selbst Lea, welche stets gut vorbereitet ist und an diesem Tag mit einem Schal – der einmal von Weimar bis Borna reichte – einer Mütze, Handschuhen, zwei paar Socken und Outdoor Wanderschuhen bewaffnet war, die Kälte spürte.
Als dann aus dem Nichts eine süße Omi auftauchte und uns erklärte, sie sei unsere Stadtführerin, wussten wir nicht, ob dies ein Streich unserer schockgefrosteten Gehirnzellen oder die Wahrheit war. Nichtsdestotrotz gingen wir ihr hinterher – der naiven Hoffnung folgend, durch die Bewegung würde uns warm werden. Sie sorgte sich liebevoll um uns und suchte immer eine Möglichkeit, uns in die Sonne zu stellen. Vielleicht hoffte sie, wir würden dadurch auftauen. Aber die Mühe war vergeblich. Und so standen wir alle in der Sonne vor einer Statue von Puschkin (oben auf Bild 1 zu sehen) und dachten darüber nach, ob Wodka uns vielleicht erwärmen könnte.
Eines schaffte diese Frau jedoch zu erwärmen: unsere Herzen. Aufgrund ihrer drolligen und leidenschaftlichen Art bereitete sie uns oftmals Freude durch das falsche Aussprechen moderner Wörter. Und so wussten wir gar nicht, wo wir hinsehen sollten, als sie uns voller Inbrunst erzählte, dass Martin Christian Wieland ein wahrer „Popschtarr“ seiner Zeit war.
Belustigt war ich auch von der Skulptur von Goethe und Schiller. Denn während Lehrer, Historiker und Gott weiß wer Schiller hoch in den Himmel loben, halten die Weimarer ihn lieber klein. Auch wenn dies die Ebenbürtigkeit beider Denker darstellen soll, wäre ich lieber bei einer wahrheitsgemäßen Darstellung geblieben.
Später erklärte sie uns die Herkunft des Sprichwortes „die Kurve kratzen“ – und ich bin mir sicher, dass ich nicht die Einzige war, die diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung zog.
Nach der Führung bedankte sich die Dame und meinte, wir wären seit Langem die Ruhigsten und Aufmerksamsten gewesen. Leider kann man dies nicht gerade einer außerordentlich guten Erziehung, sondern eher dem Umstand der Kälte zuschreiben, welche selbst das Sprechen zu anstrengend machte.
Im Anschluss genossen wir zweieinhalb viel zu lange Stunden Freizeit. Diese verbrachten die meisten von uns damit, einen warmen Ort zu suchen. Und während manche wie leicht Gestörte zwei Stunden im Müller auf ein Regal blickten, nur um im Warmen zu sein, trieb es mich ins hochgelobte Bauhaus. Gerade angekommen, schafften es Lea, Lysann und ich uns zu verirren und direkt in einen Hörsaal hineinzuplatzen, aber dies ist eine andere Geschichte. Auf dem richtigen Rundweg angekommen, genossen wir dann die enorm bequemen Stühle, welche man auf Bild 2 sieht, und die künstlerische Vielfalt. Der einzige Kritikpunkt an dieser Stelle ist jedoch, dass eine blinde Person vermutlich denkt, in ein Schweigekloster abgebogen zu sein. Ich verstehe, dass Museen leise sein müssen. Aber so leise, dass man im Keller eine Stecknadel fallen hört, die einer in der 4. Etage fallen lässt, war mir dann doch zu viel des Guten.
Nach diesen vielfältigen Eindrücken begaben wir uns direkt zu unserem nächsten Highlight. Dies war die sagenumwobene Anna Amalia Bibliothek. Bereits bei der Stadtführung war diese gelobt worden, was unsere Spannung kaum auszuhalten machte. Doch der Weg wurde uns erschwert. Zuerst wurden wir gezwungen, unsere warmen Jacken abzulegen – was uns wieder zum Ursprungsproblem der Kälte führte. Danach trafen wir auf den Endgegner: die Digitalisierung. Während man es in Schulen für angemessen hält, uns von Polyluxen abschreiben zu lassen, erhält diese Bibliothek alles, wovon junge Lehrer träumen. Dazu gehören auch iPads, welche jedoch nur Rentnern vorbehalten sind. Denn wir Jugendlichen könnten uns ja vom wohlbemerkt hauseigenen WLAN bequem die App auf unsere Handys laden. Das auf diesen kein Platz ist, bedenkt keiner. Nach zehnminütigem hin und her besaßen wir dann alle die fabelhafte Weimar plus App. Weimar plus – das war mir ehrlich gesagt mehr Weimar als mir lieb war. Mit dieser App waren wir nun endlich befugt, die letzten Stufen nach oben zu erklimmen. Dort angekommen, verbrachten wir fünf Minuten damit, in einem kleinen Raum auf Gemälde zu schauen und ein Quiz auf einem übergroßen Tablet zu machen, bei welchem wir erfuhren, dass das größte „Buch“ so groß wie ein Kind und das kleinste so groß wie ein Reiskorn ist. Dann war es plötzlich soweit: wir verließen den Raum und traten vor eine große Tür.
Ab da begannen wir, auf großem Fuß zu leben. Wir mussten nämlich extra riesige Überschuhe anziehen, welche aussahen wie die Hausschuhe, die Omas rausholen, wenn man sie besucht, um keinen Dreck zu hinterlassen. Ausgestattet mit diesen unvergleichlichen Omaüberziehschuhen betraten wir den berüchtigten Rokokosaal. Zugegeben, dieser Raum war superduperexorbitantwundervoll. Er war wie eine Tafel Schokolade für die Augen. Der Anblick ließ mich in Erwartungen schweifen, was wir wohl noch alles von dieser zauberhaften Anna Amalia Bibliothek zu sehen bekommen würden. Die Antwort hierauf lautet: nichts. Dieser superduperexorbitantwundervolle Raum war alles, was diese Bibliothek uns zu bieten hatte. Der Raum war schön, keine Frage, aber selbst die Omaüberziehschuhe waren größer als die gesamte „Bibliothek“. Enttäuscht verließen wir diesen Ort, doch nicht ohne ein Andenken in Form einer detaillierten Beschreibung unserer Gefühle zu hinterlassen (Bild 3).
Erneut ergriffen von dem Gefühl der Hoffnung wanderten wir gespannt zum nächsten Punkt der Tagesordnung. Dem Schillerhaus. Unterwegs gönnten wir uns ein leckeres Eis. Wenn man ohnehin schon den ganzen Tag friert, dann sollte man die Kälte wenigstens genießen. Schlimmer konnte es eh nicht werden. Doch selbst dabei fiel auf, wie krampfhaft Weimar versucht, modern zu sein. Da bekommt man Pfand auf einen Pappbecher und muss ihn zurückbringen, nur damit die Angestellten diesen genauso in den Müll schmeißen, wie ich es getan hätte. Nachhaltigkeit ist gut und wichtig, aber das ist weder das eine noch das andere. Das ist purer Irrsinn.
Als wir kurz darauf im Schillerhaus saßen, sinnierten wir, wie wunderbar unsere Führung wohl werden würde. Und tatsächlich, diese war mit das Schönste an diesem Tag. Denn sie fiel aus.
So entdeckten wir dieses wie Räuber auf eigene Faust. Mein Ziel, Schiller vielleicht besser verstehen zu können, erreichte ich an diesem Punkt. Sein ganzes Haus ist nämlich so schief, dass er wahrscheinlich nur so viel Alkohol trank, damit es für ihn wieder gerade wirkte.
Nach dem Erkunden seines Hauses zogen wir weiter zum Stadtmuseum. Dieses überraschte uns mit einer völlig neuen Art, Geschichte zu erzählen. Wir wanderten in kleinen Gruppen durch fantasievoll gestaltete Räume und fanden immer wieder etwas Neues. Teilweise sorgten die wahnsinnigen Effekte für einen regelrechten Nervenkitzel. Dieser Nervenkitzel ließ einige unter uns sogar zu richtigen Verbrechern mutieren, da diese trotz des Verbotes von Bild- oder Videoaufnahmen zum Handy griffen.
Geschockt von der Erkenntnis mit skrupellosen Verbrechern in einem Bus gesessen zu haben, gingen wir nach draußen. Da wir an diesem Punkt abermals sinnlos warten mussten bis auch der letzte Durchgang fertig war, aßen einige erneut ein Eis. Endlich erlöst von der Warterei, liefen wir zügig zum Bus und fuhren nach Hause.
Und da selbst dieser Tag ein Ende fand, muss nun auch mein Bericht enden. Alles in allem war der Tag von Höhen und Tiefen geprägt. Und mit den Höhen meine ich nicht etwa die Kosten und mit den Tiefen nicht die zahlreichen Risse im Asphalt der Stadt.
Ich möchte an dieser Stelle auch an die Opfer dieses Tages denken. Darunter sind Magdalena, welche eine Treppe herunterfiel und Charline, welche aufgrund des vielen Laufens noch Tage danach mit einer schmerzhaften und blutigen Blase an ihrem Fuß zu kämpfen hatte.
Außerdem möchte ich eines klarstellen: der Tag war viel zu lang, viel zu kalt und insgesamt mehr schlecht als recht und trotzdem möchten fast alle von uns lieber noch tausendmal nach Weimar anstatt einen Tag normalen Unterricht zu haben. Wenn ein Schüler also lieber noch einmal 3-5 Stunden länger unterwegs sein möchte, anstatt im Unterricht zu sitzen, sollte das so manchem Lehrer zu denken geben.
Zugegeben, am Anfang des Tages verstand ich nicht, warum wir über diesen Tag ausgerechnet einen satirischen Bericht schreiben sollen, doch spätestens nach den ersten paar Stunden war es offensichtlich.
Quellen:
Bild 1: https://media-cdn.tripadvisor.com/media/photo-m/1280/1a/50/b5/ae/puschkin-denkmal-weimar.jpg
Bild 2 und 3 : Lea Krauße Kl.11